REZENSION von Karin Hahn |
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AUGUST 2007
BELLETRISTIK GELESENE PROSA JUGENDBUCH KINDERBUCH |
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Hörbuch Heinrich Steinfest: Ein dickes Fell, HörbuchHamburg, 2007, Gekürzte Lesung von Dietmar Mues, Gesamtlaufzeit: 450 Minuten, 6 CD, € 29,95 Anna Gemini, Mutter eines geistig behinderten Sohnes und Adalbert Stifter Verehrerin wird zur Auftragsmörderin für ihr Traumhaus, angeheuert von einem harmlosen Staatsdiener namens Karl Smolek. Seines Zeichen auch noch Geheimagent und fast unsterblich. Das ist schon mal ein witziger Auftakt für eine Krimikomödie, die alle Register zieht. Heinrich Steinfest macht in seinem Plot weder halt vor diplomatischer Immunität, Geschwistermord, noch historischen Originalrezepturen eines edlen Kölnischen Wässerchens, dass nicht mal mehr die Großmütter von heute in ihren Taschen spazieren tragen. Die Protagonisten sitzen in der Psychiatrie, in der Lärchenfelder Straße in Wien, in alten Häusern, auch wenn sie gut verdienende Komponisten sind oder hinter Beamtenschreibtischen. Ein klarer Fall für den einarmigen, kurzsichtigen Detektiv und Chinesen Markus Cheng, der einst in Wien gearbeitet hat, aber eigentlich aus Dänemark kommt. Er soll es wieder richten. Saublöde Haustiere, wie Kartäuserkatzen mit Geheimnis und ein altersschwacher Hund, spielen mit, es wird nicht mit Leichen ( „ Die Toten flogen schon vom Himmel herab.“) gespart, es geht um die Wiederauferstehung des Homunkulus, um nichts geringeres als die Unsterblichkeit und dumme Trampel, die sicher von Beruf Germanistinnen sind. Cheng soll den Mord an einem norwegischen Diplomaten in Wien aufklären. Die Frage ist nur: War es nun ein politisch motivierter Auftragsmord oder nicht? Dabei lernt der Detektiv Anna Gemini kennen und die Kreise schließen sich beinahe. Dieses Verwirrspiel an umfangreichem, ausgefuchsten Personal und Zusammenhängen, die bis in die mittelalterliche Zeit der Kartäusermönche zurückgehen, nimmt von Minute zu Minute eine „Wendung ins Atemlose“, denn es ist nichts so schwierig, wie alle Fäden und vor allem Personen im Kopf zu behalten, denn: „Jeder dachte der einzige Normale unter lauter Irren zu sein.“ Nicht nur die Figuren auch die unterschiedlichen Handlungsstränge gehen so ihre eigenen Wege bis am Ende sich alles klärt oder auch nicht. Detektiv Chengs dritter Fall driftet wie immer in alle Richtungen ab und widmet sich mit den kauzigen Protagonisten der edlen Schöpfung wie dem Skurrilen des Alltags. Konzentriert und ruhig begleitet die wunderbare Erzählstimme des Schauspieler Dietmar Mues den Hörer durch den Dschungel an Erzählsträngen und weist den überbordenden Einfallsreichtum des Autors in die Schranken. Dietmar Mues gibt jeder Figur mit und ohne Mundart einen eigenen unverwechselbaren Charakter. Ein absoluter Hörspaß nicht nur für Krimifans! In den letzten Wochen hatten die Tugendpolizisten der deutschen Gedankenpolizei alle Hände voll zu tun mit Günter Grass und Zwiebelhäuten. Ich möchte heute einen Roman vorstellen, der einem ebenfalls Tränen in die Augen treibt, allerdings Lachtränen. "Es ist traurig, aber in Österreich müssen immer die Nazis her, damit etwas los ist", heißt es in diesem Roman. Nicht nur in Österreich, darf man ergänzen. Und weil in diesem Buch lauter so kluge Sätze stehen, deshalb ist es der sensationellste Krimi, den ich seit vielen Jahren gelesen habe. "Ein dickes Fell" heißt dieses Buch, der Autor: Heinrich Steinfest. Es ist ein ganz und gar origineller, in seinem hinreißender Roman. Wie Patrick Süskinds "Das Parfüm" erzählt Steinfest von einem ganz besonderen Duft: dem Duft von 4711 - Echt Kölnisch Wasser. Stellen Sie sich vor, das im 18. Jahrhundert von Kartäusermönchen ersonnene Originalrezept von 4711 beschere nicht nur Omis Wohlgeruch, sondern spende auch das ewige Leben. Wer im Augenblick seines Sterbens einen kleinen Schluck davon trinkt, hüpft dem Tod von der Schippe. Und irgendwo in Europa stehe noch so ein kleines Fläschchen Original 4711, das natürlich zum heißumkämpften Objekt der Begierde wird, für das viele Menschen über Leichen gehen. Unter anderem erzählt Steinfest von einer Auftragskillerin, die ihren behinderten Sohn zur Arbeit mitnehmen muss, von einem Archivar in Wien, der in Wahrheit ein kleiner Gott ist, von einem Komponisten, der zehntausend Jahre aus der Zukunft kommt und ein wenig rüpelhaft mit seinen Mitmenschen umspringt, weil die für ihn ja ohnehin alle längst tot und vermodert sind und natürlich von Markus Cheng, seinem einarmigen Detektiv, einem Wiener chinesischer Abstammung. So weit, so absurd. Nun ist Heinrich Steinfest aber nicht irgendein Krimiautor, sondern der Adalbert Stifter des Krimis. Das heißt, seine Bücher leben nicht wirklich von Action, Mord und Totschlag, sondern von ihrer ganz unerhörten altmeisterlichen Schilderungskraft. Steinfest unterhält nicht nur, er öffnet einem buchstäblich die Augen für den Reichtum und die Vielfalt der Schöpfung und die Mit einem Wort: sie machen bessere, weil aufmerksamere Menschen aus uns. Mehr kann man von einem Krimi wirklich nicht verlangen. |
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